Den reformierten Pfarrer Christoph Ammann bewegt das Leid der Tiere. Er findet, die Kirchen sollten sich in dieser Frage klarer positionieren.
Text: Christa Amstutz
Foto: Pascale Amez
«Warum setzt sich die Kirche so sehr für das menschliche Leben ein, auch für das ungeborene, währenddem das Tierleid in der theologischen Diskussion kaum eine Rolle spielt?» Diese Frage treibt Christoph Ammann bis heute um.
Die Katzen, mit denen er im reformierten Pfarrhaus aufwuchs, habe er natürlich geliebt, sagt der Theologe. Wirklich bewegt hat ihn aber eine Fernsehsendung über einen Störmetzger, die er als Jugendlicher sah. Obwohl diese Weise, Tiere zu schlachten, vergleichsweise «human» sei, hätten ihn die Bilder lange beschäftigt. Daraufhin folgte eine erste vegetarische Phase in seinem Leben.
«Wir können unsere Stimme für die Tiere erheben.»
Mit dem Studium der Theologie und der anschliessenden wissenschaftlichen Arbeit am Institut für Sozialethik der Universität Zürich wurde die Tierethik für Ammann schliesslich zum Forschungs- und Herzensanliegen zugleich. Dabei lässt er sich nicht von einzelnen Bibelstellen über den Umgang mit Tieren leiten, sondern von der Frage: «Wie kann ich in der heutigen Zeit auf glaubwürdige Weise Christ sein?»
Christliches Ethos als Weg
Das Gleichnis des barmherzigen Samariters ist für den Theologen eine Schlüsselgeschichte: «Der Samariter begleitet mich seit meiner Kindheit: vom Bilderbuch von Kees de Kort, das ich liebte, bis hin zu meinen heutigen ethischen Positionen.» Jesus erzähle die Geschichte, ohne eine Antwort zu geben auf die Frage: «Wer ist mein Nächster? » Darum zeigt das Gleichnis für Ammann einen für das christliche Ethos zentralen Weg auf: sich nicht aus sicherer Distanz fragen, wer der Nächste ist, sondern sich von dem berühren lassen, was einem begegnet. Und sich fragen: «Was bedeutet es, ein Liebender zu werden?»
Wer Barmherzigkeit und Nächstenliebe ernst nehme, könne das heutige Tierleid in der Massenhaltung und den Versuchslabors nicht einfach ignorieren, ist der Ethiker überzeugt. Die Tiere seien stumm, «aber wir können unsere Stimme für sie erheben». Das bedeutet für ihn nicht, das Unrecht an Menschen auszublenden.
Dass in der öffentlichen Diskussion Menschenleid oft gegen Tierleid ausgespielt wird, macht Ammann wütend. Die Kirchen erlebt der Theologe immer noch als zögerlich im Umgang mit Tieren: «Es gibt kaum gute Argumente dafür, warum der Mensch das Tier verzwecken darf – das sollte uns als Christen und Christinnen doch zum Nachdenken bringen.»
Kirchgemeinden handeln freundlich
Ammann ist Präsident des 2004 gegründeten Vereins «Arbeitskreis Kirche und Tiere» (Akut). Dieser lanciert jetzt eine Selbstverpflichtung für Kirchgemeinden, tierfreundlich zu handeln. «Ein einfacher Punkt ist, weniger Fleisch zum Konsum anzubieten», erklärt Ammann. Mittagstische könnten problemlos vegetarisch oder vegan sein, und nicht bei jedem Anlass brauche es Würste auf dem Grill.
Der Tierschützer will den Fleischkonsum nicht verteufeln. Aber er findet auch, dass jeder sich den damit verbundenen ethischen Fragen stellen sollte. Die Klimakrise und die Corona-Infektionen in grossen deutschen Schlachtbetrieben befeuerten die Diskussion über den Fleischkonsum. «Es wird immer schwieriger werden, diesen noch zu rechtfertigen», sagt der Zürcher Pfarrer.