Die Armee bietet seelsorgliche Betreuung für alle, egal welcher Religion sie angehören

Mit mehr Mitarbeitenden und Partnerschaften mit anderen Religionsgemeinschaften geht die Armeeseelsorge auf die gesell­schaftlichen Gegebenheiten ein. Andersartiges zuzulassen, sei der Kern eines echten Dialogs, sagt Samuel Schmid.


Text: Marie-Christine Andres

Foto: Annette Boutellier

 

«Es ist ein historischer Fakt, dass die Grundlage der Armeeseelsorge christlich geprägt ist», sagt Samuel Schmid. Der reformierte Theologe und Pfarrer hat viel Erfahrung: Er war unter anderem 25 Jahre als Armeeseelsorger im Einsatz und ist seit 2022 Chef Armeeseelsorge der Schweizer Armee. In dieser Funktion wirkt er am Ausbau seines Bereichs wesentlich mit. So sollen die Seelsorgenden von heute 171 auf 242 aufgestockt und auch nicht christliche Religionen einbezogen werden.

Kompetenzen erweitern

2020 nahm die Schweizer Armee erstmals Seelsorger mit freikirchlichem Hintergrund in Dienst. Ein Jahr später wurden Partnerschaften mit der Föderation islamischer Dachorganisationen Schweiz und dem Schweizerischen Israelitischen Gemeindebund geschlossen. Im Frühling 2022 absolvierten dann die ersten Seelsorgenden mit jüdischem und muslimischem Hintergrund den Lehrgang von dreimal je einer Woche.

«Unser Auftrag war und ist es, die seelsorgliche Betreuung für alle zu gewährleisten. Dazu wollen wir unsere Kompetenzen erweitern», sagt Schmid. Bei den meisten Kontakten zwischen Armeeangehörigen und Armeeseelsorgenden spiele die Konfession oder Religion zwar keine Rolle. «Aber manchmal wird es eben doch gewünscht, mit einer Vertreterin oder einem Vertreter der eigenen Religion zu sprechen.» Etwa, wenn ein Katholik bei einem Priester die Beichte ablegen möchte oder ein Imam für ein muslimisches Gebet gebraucht werde.

Gemeinsame Grundlage

«Die Öffnung für andere Religionen basiert auf Werten und einem Menschenbild, wie sie insbesondere durch die christliche Tradition unseres Landes geprägt sind», betont der oberste Armeeseelsorger. Auf Respekt, Toleranz, Freiheit und Gleichbehandlung. «Dazu müssen sich alle Partner der Armeeseelsorge ­bekennen.»

 

«Alle dürfen ihren Glauben sichtbar leben, soweit es der Dienstbetrieb erlaubt.»

Samuel Schmid, Chef Armeeseelsorge

 

Die religiöse Vielfalt sei, wie in der Gesellschaft als Ganzes, auch in der Armee gross. Dem müsse dringend Rechnung getragen werden, ist Schmid überzeugt. «Der interreligiöse Dialog braucht gegenseitiges Interesse, aber auch den Mut, zu seinen eigenen religiösen Wurzeln zu stehen.» Für ihn ist das muslimische Gebet während der Pause einer militärischen Übung, das Anfang Juli 2023 für Schlagzeilen sorgte, ein schönes Lehrstück. «Da sind Leute, die ihren Glauben sichtbar leben. Das dürfen alle, soweit es der Dienstbetrieb erlaubt.»

Dilemma aushalten

Echter Dialog zwischen den Religio­nen lässt Andersartiges zu, meint Schmid. Denn wer nur auf der Basis der Gemeinsamkeiten zusammenarbeite, sei plötzlich sprachlos. «Dass der interreligiöse Dialog letztlich in ein gewisses Dilemma führen kann, müssen wir aushalten. Aber in allem sind Respekt und gegenseitige Wertschätzung die Grundlage für ein bereicherndes Miteinander.»