Elegant, sportlich, sexy oder schlicht: Die Art wir wir uns kleiden, zeigt, wer wir sind und wo wir hingehören. Beeinflusst auch die Konfession den Griff in den Kleiderschrank?
Text: Katharina Kilchenmann, Marie-Christine Andres
Fotografie: Dominic Wenger, Nora Steffen
Nicht nur der Teufel trägt Prada, auch der Papst. Und selbst wenn der Vatikan beteuert, die roten Prada-Schuhe von Papst Benedikt XVI. seien keine modischen Accessoires, sondern bewusst gewähltes liturgisches Symbol (rot wie das Blut Christi), macht die mediale Aufmerksamkeit für die mutige Wahl des katholischen Würdenträgers deutlich: Mode und Religion haben eine lange und innige Beziehung.
Wechselseitige Beziehung
Modedesigner beeinflussen einerseits die klerikale Garderobe, sie lassen sich von ihr aber auch inspirieren. So finden sich etwa in den Kollektionen von Christa de Carouge, Karl Lagerfeld oder Jil Sander Kleider und Mäntel, die durchaus an klösterliche Traditionen erinnern. Und Modemacher wie H&M und Nike verdienen unter dem Label «Islamic Fashion» längst viel Geld, indem sie Musliminnen von oben bis unten stilvoll verhüllen.
«Mit religiöser Kleidung wird auch Politik gemacht.»
Valentino Leanza,
Religionswissenschaftler und Historiker
Doch mit religiöser Kleidung werden nicht nur Geschäfte gemacht, sondern auch Politik. Der Religionswissenschaftler und Historiker Valentino Leanza beobachtet, dass in den letzten Jahren die Aufmerksamkeit für die «Sichtbarkeit von Religion» hierzulande deutlich zugenommen habe. Ein Grund dafür sei die verstärkte Migration von Menschen aus dem arabischen und afrikanischen Raum. «Wenn über ein Burka-Verbot abgestimmt wird, schafft man für dieses Kleidungsstück viel Aufmerksamkeit. Und die Emotionen, die das Stück Stoff auslöst, werden genutzt und verstärkt», meint Leanza. Die fortschreitende Säkularisierung sei ein weiterer Grund dafür, dass die Leute stärker auf religiöse Signale im öffentlichen Raum reagierten. «Wo Religion immer mehr an Bedeutung verliert und ins Private gedrängt wird, gelten religiöse Kleider und Accessoires oftmals als rückständig und als Zeichen für Unterdrückung und Nichtintegration.»
Signale senden
Die Art, sich zu kleiden, ob religiös, sportlich, elegant, sexy oder bieder, ist immer ein Statement. Der Satz des Kommunikationswissenschaftlers Paul Watzlawick, «Man kann nicht nicht kommunizieren», trifft auch auf unsere Kleider zu. Sie schützen nicht nur vor Kälte, Hitze und neugierigen Blicken, sie klären auch Situationen, stiften Identität und helfen, uns in der Gesellschaft zu verorten. Das muslimische Kopftuch, das christliche Schmuckkreuz oder der Turban der Sikhs signalisieren eindeutig, zu welcher Gruppe die Trägerinnen und Träger gehören. Diese Signale wirken sowohl nach aussen als auch nach innen. Deshalb bezeichnet Leanza die Kleidung als «Schnittstelle» der Innen- und Aussenperspektive. Eine Schnittstelle, an der es zu komplexen Abwägungs- und Aushandlungsprozessen komme. Als Beispiel nennt er eine junge Frau aus einer christlichen Gemeinschaft, die sich explizit schlicht kleide, frisiere und eine Halskette mit Kreuz trage. «Die Fragen ihrer Mitschülerinnen zwingen sie, sich bewusst zu machen, warum sie was tut», erklärt Leanza. «Sie setzt sich mit ihrem Glauben auseinander, was ihr letztlich zu einer reflektierteren religiösen Haltung verhilft.»
Mode und Religion haben vieles gemeinsam, beeinflussen sich gegenseitig, ziehen sich an und stossen sich ab. Der Mutter des verstorbenen Modeschöpfers Karl Lagerfeld wurde einst prophezeit, ihr Sohn werde Geistlicher. So ganz daneben lag das Orakel nicht: Lagerfeld zeigte sich der Öffentlichkeit stets mit weissem Priesterkragen und würdevollem Winken. Kein Wunder, wurde er «Modepapst» genannt.