Zwischen Ausgrenzung, Solidarität und Safe Space

Merve Sulemani setzt sich gegen Rassismus, für die Konzernverantwortungsinitiative und den innermuslimischen Dialog ein.

 

Text: Zeinab Ahmadi

Foto: Pascale Amez

 

Die Zürcherin Merve Sulemani hatte immer schon einen ausgeprägten Sinn für Gerechtigkeit. Früh begann die 30-Jährige, sich mit ihren eigenen Privilegien, wie sie sie etwa als Schweizer Staatsbürgerin hat, auseinanderzusetzen – und sie zu hinterfragen. Als Aktivistin versteht sie sich aber nicht: «Mein gesellschaftliches Engagement sehe ich als eine Verpflichtung.» Sie betrachtet es als Selbstverständlichkeit, ihre Privilegien dazu zu nutzen, um auf gesellschaftliche Missstände hinzuweisen, ohne sich dabei als Retterin aufzuspielen.

Der Einsatz der Muslimin beginnt bei vermeintlich selbstverständlichen Dingen. «Bereits die Tatsache, dass ich Lehrerin werden möchte, kann als gesellschaftliches Engagement betrachtet werden.» Es sei eine Herausforderung, in der «ethnisch homogenen» Berufsgruppe der Lehrpersonen Fuss zu fassen, findet Sulemani. Immer wieder werde sie auf ihren sichtbaren religiösen Hintergrund reduziert.

«Mein Engagement sehe ich als eine Verpflichtung.»

Oft wird Sulemani auf den Islam angesprochen und in die Rolle der Islam-Expertin gedrängt. Das hat sie dazu bewogen, mit Freundinnen und Freunden die muslimische Jugendplattform «Project Träff» zu gründen. Muslimische Jugendliche aus dem Raum Zürich können dort über ihre Herausforderungen im Alltag sprechen. In dem sogenannten Safe Space, einem Schonraum, in dem nicht diskriminiert werden darf, finden die Jugendlichen auch Bezugspersonen, die antimuslimischen Rassismus und Ausgrenzung selber erfahren haben. «Die Jugendlichen berichten uns, dass Bombenleger-Witze auf dem Schulhof auch heute keine Seltenheit sind. Einige von uns kennen das aus der eigenen Schulzeit», sagt Sulemani.

Wohltuende Distanz wahren

Für die angehende Gymnasiallehrerin ist klar: Es benötigt mehr innermuslimischen Dialog. Deshalb wird bei «Project Träff» etwa über verfestigte Denkweisen wie die Rolle der Familie oder der Geschlechter diskutiert. «Hier sollen ebenfalls heikle Fragen Platz haben.» Sulemani weiss, dass Jugendliche gelegentlich Hemmungen haben, kontroverse Themen in der Moschee, zu Hause oder in der Schule anzusprechen, da sie sich dort ungenügend verstanden fühlen.

Die junge Zürcherin setzt sich auch für die Konzernverantwortungsinitiative ein. Anders als bei ihrem Engagement mit muslimischen Jugendlichen sei sie bei diesem Thema jedoch nicht direkt betroffen. «Ich kann eine wohltuende Distanz wahren», sagt Sulemani. Trotzdem spiele ihre Religion auch hier eine Rolle: Sie hätte gerne an einem öffentlichen Stand für die Initiative geworben, habe sich aber dagegen entschieden. «Ich möchte nicht, dass die Diskussion rund um die Initiative mit der Kopftuchdebatte vermischt wird.» Deshalb wirbt sie für die Initiative nun vorerst am Telefon.

Ihre Grundhaltung, sich zu solidarisieren und einen Beitrag für das friedliche Zusammenleben in der Gesellschaft zu leisten, bildet das Fundament für ihren Einsatz. Regelmässig legt sie aber auch bewusste Pausen ein und geht ihrenHobbys nach. «Wir müssen nicht überall und ständig Aufklärungsarbeit leisten. Heute können sich alle auch selbst informieren, und ich schütze mich vor einem Aktivismus-Burn-out.÷