Lieber im Hüfttuch als im Anzug

Aufgezeichnet von Christa Amstutz
Fotografie: Dominic Wenger, Nora Steffen

 

Shabin Shanmugalingam, 19: Der Hindu-Priester in Ausbildung arbeitet als Informatiker und Dolmetscher.

 

Mode ist mir nicht allzu wichtig. Ich interessiere mich mehr für die Persönlichkeit eines Menschen als für sein Äusseres. Selber mag ich es praktisch. Ich achte nicht unbedingt darauf, dass alles zusammenpasst, sondern ziehe mich so an, dass ich mich wohlfühle und wie es dem Wetter entspricht.

Wenn ich im Sommer mit Shorts ins Büro gehe und danach beim Tempel im Berner Haus der Religionen vorbeischaue, ist klar, dass ich mich vorher umziehe und in langen Hosen erscheine. Kurze Hosen sind nicht gern gesehen, und als angehender Hindu-Priester habe ich ­eine Vorbildfunktion

Glänzendes Hemd aus Seide
Was ich immer trage, ist meine Kette mit dem silbernen Yantra. Sie gehört irgendwie zu mir, ich hänge an ihr. Das geometrische Diagramm stellt eine hinduistische Himmelsgöttin dar. Auf den Yantra-Anhänger werde ich oft angesprochen. Manchmal nervt es, wenn die Leute das Symbol wegen der Dreiecke für das Zeichen des Geheimbunds der Illuminati halten. Doch schlimm ist das nicht, und beim Erklären ergeben sich oft spannende Gespräche.

«Meine Halskette mit dem silbernen Yantra gehört zu mir.»

Shabin Shanmugalingam, Informatiker

 

Ich bin, wie gesagt, nicht wählerisch in Bezug auf Mode. Einen Anzug zu tragen, kann ich mir allerdings nicht vorstellen. Für festliche Anlässe greife ich lieber zu traditioneller Kleidung aus Sri Lanka. Sowieso fühle ich mich, was Kleider angeht, eher in der tamilischen Kultur zu Hause. Das ist längst nicht mit allem so, schliesslich bin ich hier in der Schweiz aufgewachsen.
Mein Outfit für die Hochzeit ist sehr typisch. Zum weissen Hüfttuch, dem Dhoti, gehört ein farbiges Hemd. Das Hemd könnte noch viel glänzender sein, ich habe mich für einen eher dezenten Stoff entschieden. Die Braut trägt traditionellerweise einen roten Sari, der Bräutigam meist einen weissen Dhoti und ein farbiges Hemd. Wichtig ist, dass die Kleider des Brautpaars aus reiner Seide gefertigt sind.

Blicke und Fragen
Was ich hier für eine Hochzeit trage, kann ich in fast allen tamilischen Läden in der Schweiz kaufen. Der Stoff fürs Hüfttuch ist derselbe, wie ihn die Frauen für ihre Saris verwenden. Schwieriger ist es, wenn es um das Priesteroutfit geht. Für ein bestimmtes Teil bin ich schon mal nach Paris gereist. Sogar in Sri Lanka findet man längst nicht überall Gewänder und Accessoires für Priester, dafür muss man spezialisierte Geschäfte aufsuchen.

Obwohl ich mich in der Priesterkleidung wohlfühle und diese Rolle auch gerne nach aussen repräsentiere, ziehe ich mich lieber erst um, bevor ich nach der Zeremonie im Tram nach Hause fahre. Die vielen Blicke und Fragen wären mir zu anstrengend.