Von blass bis prächtig

 

 
Farben spielen in den Religionen eine grosse Rolle. Das zeigt sich auch in der Kleidung für religiöse und liturgische Rituale. Dieselbe Farbe kann des einen höchstes Glück, des anderen tiefste Trauer symbolisieren. Die etwas andere Farbenlehre.

Texte: Hannah Einhaus

 

 

 

Gelb hat je nach Religion und Weltregion diametral unterschiedliche Bedeutungen: In Anlehnung an die Sonne steht es im Hinduismus für Licht, Wahrheit und das Leben. Auch in China ist Gelb Sinnbild für das Gute und Süsse. Im christlich geprägten Europa hingegen galt es bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil als Schandfarbe, die für Verderben, Irrglauben, Neid und Verrat stand. «Ketzer» erhielten im Mittelalter bei ihrer Hinrichtung ein gelbes Kreuz, und Juden hatten damals den gelben Judenhut zu tragen. Auch der «Judenstern» im Nationalsozialismus stand in dieser Farbtradition.

 

 

 
 

Galt Orange in Europa zu Römerzeiten noch als Farbe des Vergnügens, verschwand es nach der Christianisierung aus unseren Breitengraden. Es steht für Lebens­freude und erlebte ein Revival im säkularisierten Europa, insbesondere in der Werbung. In Indien und ­Asien drückt Orange Vollkommenheit aus – man denke an die orangen buddhistischen Mönchsgewänder. In China steht es für das schillernde Hin und Her zwischen Handeln und Denken, Diesseits und Jenseits sowie Stillstehen und Voranschreiten. Für die Sikhs steht Orange für Mut und Weisheit.

 

Liebe, Lust und Glück; Blut, Krieg und Macht: Kaum eine andere ­Farbe drückt so Unterschiedliches aus wie Rot. Von Indien bis Japan steht es für Glück, Reinheit und Reichtum. Als Farbe für Vitalität und Energie kommt es dort auch bei Hochzeitszeremonien zum Zuge. Ebenso zeigt sich der hinduis­tische Gott der Klugheit in einem roten Gewand. Rot als Sinnbild des Heiligen Geistes wird bei den Katholiken mit Liebe und Feuer in Verbindung gebracht und wird in der Liturgie unter anderem am Karfreitag, an Pfingsten und bei Firmungen getragen.

Grün gilt als Farbe der Mitte, des Ausgleichs und der Hoffnung. Gewisse Grüntöne können Frühling, Fruchtbarkeit und Wachstum bedeuten, andere jedoch Gift und Schande. Im Islam steht Grün für das (Über-)Leben in der ­Wüste und gilt für viele als die heilige Farbe. Im Katholizismus ist Grün die liturgische Farbe des Lebens und der Hoffnung und wird durchs Jahr hindurch am häufigsten getragen. Die Reformierten bedecken an Sonntagen nach Weihnachten bis in die Fastenzeit sowie nach Pfingsten den Taufstein oder die Ka

Violett prägt bis heute die Welt der Magie und des Geheimnisvollen. Es verbindet die Welt des Körpers (Rot) mit der Welt des Geistes (Blau). Im Hinduismus bringt Vio­lett die Wiedergeburt zum Ausdruck. Die violette liturgische Kleidung der katholischen Kirche wiederum steht für massvolles Verhalten, Besinnung und Busse in der Advents- und Fastenzeit. Angesichts der schwierigen Produktion des Purpurs war es lange den Mächtigen und Würdenträgern, den Königen und Kardinälen vorbehalten, ihre Kleider damit zu färben.

 

Der Himmel und das Meer widerspiegeln sich in der Farbe Blau. Entsprechend wirkt sie immateriell, transparent, fern, ja unendlich. Im Hinduismus stehen religiöse Skulpturen mit blauem Kopf für Vergeistigung und göttliche Erleuchtung. In China unterstreicht diese Farbe die Unsterblichkeit. Katholische Skulpturen zeigen die Gottesmutter Maria in einem blauen Mantel, der für Gerechtigkeit und Tradition steht. Blau galt im Judentum einst als Farbe der Könige.

Reinheit und die Nähe zum Gött­lichen schwingen in verschiedenen Kulturen bei der Farbe Weiss mit. Bei der Taufe und Knabenbeschneidung sind traditionellerweise Neugeborene in weisse Kleider gehüllt, ebenso Kinder zur Erstkommunion und Bräute zu ihrer Hochzeit. Weiss als ­Farbe der Unschuld, aber auch des Todes: Sie steht für den Übergang zum Göttlichen. Das zeigt sich bei der Trauerkleidung japanischer Frauen sowie bei den weissen Leichentüchern im Judentum und im Islam. Am jüdischen Versöhnungstag Jom Kippur bitten die weiss gekleideten Gläubigen Gott um Vergebung, und auf der Pilgerfahrt nach Mekka tragen muslimische Männer zwei ungenähte, weisse Tücher um Taille und Schultern.

Schwarz ist die Abwesenheit von Licht, die Farbe der Dunkelheit und insbesondere in den monotheistischen Religionen mit Tod, ­Trauer und Unheil verbunden. Während im europäischen Kulturraum früher die Hochzeitskleider aus schwarzem Stoff waren, wird heute schwarze oder dunkle Kleidung an Beerdigungen erwartet. In der Farbe liegt aber auch eine Mischung von Demut und Amtswürde: Die Gewänder der protestantischen, katholischen und orthodoxen Geistlichen sind allesamt schwarz, wenn auch mit Abweichungen anlässlich bestimmter Feiertage. Die Schwarze Madonna im Katholizismus wird mit Fruchtbarkeit in Verbindung gebracht – vermutlich in Anlehnung an antike Kulte.