Alhamdulillah, Baruch Hashem, Gott sei Dank

Die Religionen und ihre Schriften haben die Alltagssprache über Jahrhunderte hinweg geprägt. Doch nicht alles, was religiös klingt, ist auch so gemeint. Beispiele aus dem Hebräischen, Deutschen und Arabischen.

Text: Noah Pilloud
Kalligraphie: Any Kobel-Lemke

 

Was haben der Ausruf «ojemine!» und der Wunsch «Hals und Beinbruch» gemeinsam? Beide Äusserungen haben einen religiösen Ursprung: Erstere ist eine Verkürzung von «Oh, Jesu Domine», Letztere eine Verballhornung der althebräischen Phrase «hazlacha uwracha» – zu Deutsch «Glück und Segen». Über das jiddische «hazloche und broche» gelangte sie in die deutsche Umgangssprache.

Den meisten Menschen ist der Ursprung dieser Aussprüche nicht bewusst, und in den wenigsten Fällen ist die Aussage religiös gemeint. Mit «Gott sei Dank», «um Himmels Willen» und «herrje» offenbaren sich die Sprechenden schon lange nicht mehr als fromm. Und selbst einer überzeugten Atheistin oder einem selbsterklärten Säkularen geht mal ein «Oh, mein Gott! » über die Lippen. Religiös konnotierte Ausdrücke werden also in der deutschen Sprache nicht selten losgelöst von ihrem ursprünglichen Kontext verwendet.

Religiöses im Alltag

Ist das ein Zeichen der fortschreitenden Säkularisierung? Ja, meint Ursula Peter, Lehrbeauftragte für modernes Hebräisch an der Universität Basel. Viele religiöse Ausdrücke seien mittlerweile im Alltagswortschatz fest verankert. Dadurch gehe ihre ursprüngliche Bedeutung verloren. «Gewisse Äusserungen verstehen viele Menschen gar nicht mehr als religiös, weil sie den Kontext, aus dem diese stammen, nämlich die heiligen Schriften, nicht mehr kennen.» Auch die arabische Sprache kennt viele Ausdrücke, die ihren Ursprung in der Reli­gion ­haben. «Arabisch Sprechenden stehen für den Alltag an die 50 religiöse Ausdrücke zur Verfügung, die auch rege genutzt werden», erklärt Reinhard Schulze, emeritierter Professor für Islamwissenschaft der Universität Bern. So etwa «Alhamdulillah» (Allah sei Dank) oder «Wallah», eigentlich ein Schwur, der aber heute gemeinhin als Bekräftigung eingesetzt wird.

«Säkulare meiden generell das religiöse Vokabular.»

Reinhard Schulze, Islamwissenschaftler

 

Was sich auf Anhieb extrem religiös anhöre, sei nicht immer so gemeint. Welche Haltung dahinterstehe, könne meist nur im Kontext verstanden werden. Dennoch gebe es Ausdrücke wie den Dank «barak allahu fik» (Gott möge dich segnen) etwa, die in den Ländern des östlichen Mittelmeerraums eher dem Wortschatz gläubiger Menschen zugeordnet würden und diese als solche erkennbar machten. «In Nordafrika ist der Ausdruck hingegen viel alltäglicher», fügt Reinhard Schulze an.

Kalligrafie: Any Kobel-Lemke
«Im Anfang war das Wort.» (Bibel, Joh 1,1) Kalligrafie: Any Kobel-Lemke

Nur im Kontext erkennbar

Muslimische und christliche Arabisch Sprechende verwenden allerdings oft dieselben Wendungen. «Es lässt sich durchaus nicht immer sagen, ob ein ‹Insha’allah› (so Gott will) christlich oder muslimisch gemeint ist», stellt der Islamwissenschaftler fest. Viele Ausdrücke, ob muslimisch, christlich oder gar nicht religiös, lassen sich also nur im jeweiligen Zusammenhang verstehen. Hingegen gebe es auch Ausdrücke, die eindeutig religiös kodiert seien, führt Schulze aus. «‹Bismillah› (im Namen Gottes) ist ein Signalwort schlechthin», erklärt er. «Was danach folgt, ist stets religiös gemeint und will auch so verstanden ­werden.»

«Wer im Alltag Amen sagt, muss nicht zwingend gläubig sein.»

Ursula Peter, Hebräischdozentin

 

Signalwörter, die auf eine religiöse Gesinnung hindeuten, kennt auch das moderne Hebräisch, das Ivrit. So werde etwa «Baruch Hashem» nur von religiösen Personen verwendet, sagt die Lehrbeauf­tragte für modernes Hebräisch Ursula Peter. Der Ausdruck bedeute wörtlich «gelobt sei der Name!». Da in der jüdischen Tradition der Eigenname Gottes nicht ausgesprochen werden dürfe, müsse er durch «Hashem», was «der Name» bedeute, ersetzt werden.

Sprache und Identität

Nicht religiös zu deuten, sei aber der Ausruf «Elohim adirim!», erklärt Peter. «Elohim» bedeute allgemein «Gott» oder «Gottheit» und werde auch im Alltag häufig verwendet, entweder allein oder in Kombination. «Wenn jemand ‹Elohim adirim!› ausruft, also ‹grosser Gott›, ist das genauso wenig religiös gemeint wie die deutsche Variante ‹Oh, mein Gott!›.» Und wer in einer Tischrunde unter Freunden einen Trinkspruch mit einem «Amen!» bekräftige, ­müsse nicht zwingend gläubig sein. «‹Amen› und ‹Elohim adirim!› sind zwei der wenigen eindeutig religiösen Ausdrücke, die sowohl von Säkularen als auch Religiösen gebraucht werden», erklärt Ursula Peter.

Sprache schafft Identität, kulturelle genauso wie religiöse: Wer sich einer bestimmten Gruppe zugehörig zeigen will, benutzt ein bestimmtes Vokabular. Der Islamwissenschaftler Reinhard Schulze nennt ein einschlägiges Beispiel aus dem arabischen Sprachraum: Wer das Wort «Achi» zu Deutsch «mein Bruder» einsetze, fühle sich sehr wahrscheinlich als Teil einer salafitischen Gemeinschaft. «Säkulare hingegen meiden generell das religiöse Vokabular wie der Teufel das Weihwasser.» Ganz zu vermeiden, sei es allerdings kaum, meint Schulze.