Wer Frieden will, muss ihn im eigenen Herzen finden, meint Karl Josu Scholz, der Katholische Theologe und Zen-Lehrer. Atmen, auf die Stille hören und wertfrei anerkennen was ist – so beschreibt er den Weg zu innerem und äusserem Frieden.
Text: Karl Josu Scholz
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Laut war es nicht, aber trotzdem klar zu verstehen. Es ist schon einige Jahre her, dennoch ist mir der gezischte Gruss bis heute geblieben.
Wir sind im Dom zu Passau. Der damalige Bischof Eder feiert den Ostersonntags-Gottesdienst. Beim grossen Friedensgruss stehen sich zwei Domkapitulare in der Nähe eines Mikrofons gegenüber. Der eine schaut dem anderen tief in die Augen, atmet langsam ein, lächelt süffisant und sagt mit gepresster Stimme: «Frieden ist möglich, auch mit Dir!».
Karl Josu Scholz
ist 1996 über Willigis Jäger und Fumon S. Nakagawa Roshi zum Zen gekommen. 2008 wurde er Schüler von Anna Gamma Roshi die ihn 2017 zum Zen Assistenz- Lehrer ernannte. 2022 wurde er Zen Lehrer. Als Theologe und Diakon arbeitet er seit 2006 als Gemeindeleiter für die röm. kath. Pfarrei St. Niklaus in Solothurn/Feldbrunnen.
Ich war damals Student und hatte bis zu diesem Moment noch (etwas) Respekt vor den grossen Herren.
«Frieden ist möglich, auch mit Dir.» Mich hat das sehr beschäftigt und ich fragte mich: müsste es nicht eher heissten: «Frieden ist möglich, auch mit MIR»? Denn ich glaube nicht, dass es wirklich möglich ist, Frieden mit einem Menschen, mit einer mühsamen Situation, mit der Herausforderung des Lebens zu schliessen, wenn mein eigenes Herz nicht in Frieden ist.
Alten Schmerz loslassen
Klar kann ich mich dazu entschliessen, im Zweifelsfall die Waffen ruhen zu lassen, und zu versuchen, den anderen mit meinem Tun nicht zu verletzen. Die grossen spirituellen Wege lehren mich aber etwas anderes. Meine eigene Zerrissenheit, mein hintergründiges oft unbewusstes Festhalten an altem Schmerz, ist die eigentliche Wurzel der verletzenden Tat. Und sie wird sich Ausdruck verschaffen, ob mir das passt oder nicht. Die Frage ist also: Wie finde ich selbst wirklichen Frieden?
Mir helfen oft ein paar tiefe Atemzüge und ein kurzer Augenblick, indem ich von Herzen gar nichts tue, ausser auf die Stille zu hören. Es verbindet mich wieder mit mir selbst. Das ist unglaublich einfach. Deshalb halten wir es gerne für banal und vergessen es ständig. Aber durch diesen Unterbruch im Alltag, durch den Atem in der Stille wird es leichter, genau hinzuschauen und wertfrei anzuerkennen, was wirklich ist. Vor allem dann, wenn etwas unangenehm ist.
Hinschauen, ohne zu werten
Die Herausforderung besteht darin, nicht davonzulaufen, und mich weder am Schmerz, noch an der Sehnsucht nach Glück und Frieden festzuhalten. Wenigstens für den Moment. Es gilt, einfach nur da zu sein und mich vom Augenblick berühren zu lassen. Das kann hart sein, macht aber weich. Wenn ich radikal offen und ohne zu werten, «das ganze Bild» auf mich wirken lasse, kann tieferes, weiterführendes Verstehen für die Situation wachsen. Das wird meine nächsten Schritte prägen. Was ich dann tue, wird nicht mehr so sehr von meinen Emotionen gefärbt sein, sondern kommt aus tiefer innerer Verbundenheit. Solches Handeln ist nie zerstörerisch. Es ist von sich aus friedvoll, und im besten Fall sogar heilsam. Wie bei Augustinus: «Liebe und tu, was Du (dann) willst.» So ist es eigentlich unmöglich, unversöhnt etwas Bissiges zwischen den Zähnen herauszuzischen.
Für mich bewahrheitet es sich immer wieder. Wer wirklichen Frieden will, muss Frieden stiften. Wer Frieden stiften will, muss ihn zuerst im eigenen Herz finden. Das geht nicht ohne Läuterung. Denn Vergebung geschieht immer zuerst in mir selbst. Wenn ich sie aber wirklich zulasse, dann sagt das ganze Sein: «Friede ist möglich, auch mit mir»!